Über Schönheit und Nächstenliebe

 

Interview von Sandra-Stella Triebl (LADIES DRIVE_NO. 58)

Sabine Bruckert ist eine Erscheinung. Als ich sie zum Interview in einem Restaurant am Flughafen Zürich treffe, zieht sie schon beim Reingehen die Blicke auf sich. Die 46-Jährige ist Gründerin der Dermis Hautklinik und Fachärztin für Dermatologie und Venerologie mit Spezialgebiet Dermatochirurgie. Die Fachärztin hat sich allerdings auch als äusserst smarte Unternehmerin entpuppt. Denn es sollte nicht nur bei einem Standort ausserhalb von Zürich bleiben. 2021 eröffnete sie eine Zweigstelle innerhalb des medizinischen Zentrums im Luxushotel Grand Resort Bad Ragaz. Eine dritte an zentraler Lage im Herzen von Zürich soll folgen. Doch Sabine ist nicht nur eine wahre Schönheit, sondern auch überraschend nahbar. Kein Wunder lieben sie ihre Patientinnen und Patienten genau deswegen. Denn sie hört unglaublich gern zu. Ein äusserst unterschätztes Talent, wie wir finden.

Ladies Drive: Du bist Fachärztin, Unternehmerin … bist du im Grunde deines Herzens ein Kopf- oder ein Bauchmensch? Faktenorientiert oder eher verträumt?
Dr. med. Sabine Bruckert: Meine Eltern mussten mich als Kind unzählige Male aus der Wiese rausholen. Statt in den Kindergarten zu laufen, sass ich friedlich am Blumen einsammeln, Schmetterlinge zählen … (lacht). Ich war in meiner ganz eigenen Welt. Also ich würde somit sagen: verträumt!

Du bist in Finnland geboren und im Alter von vier Jahren in die Schweiz gekommen. Wie hat dich das Aufwachsen in verschiedenen Sprachen und Kulturkreisen beeinflusst?
Ich glaube, man blickt mit einem Weitwinkelobjekt in die Welt. Schon als Kind war ich eine extrem offene und interessierte Person. Lehrer haben mich immer als kleinen Schwamm beschrieben. Ich konnte mich auch stundenlang mit Ameisenhaufen beschäftigen (lacht). Was es auch bewirkt hat, ist meine hohe Akzeptanz zum Anderssein. Ich mag keine Normen, oder Sätze wie „Das macht man nicht“ oder „Das isst man nicht“. Menschen sollten so sein dürfen, wie sie eben sind.

Als Ärztin ist man aber vielen Regeln, Ritualen, Vorgehensweisen, Standards ausgesetzt, die man einzuhalten hat. Wie gut kommst du mit dem zurecht?
Das grosse Glück ist meine Dermis Klinik – und dass ich von der Philosophie her den Menschen in den Mittelpunkt setzen konnte. Ich sehe Medizin als einen dienstleistungsbasierten Sektor, und was ich tue, ist von Nächstenliebe geprägt, auch wenn das naiv klingt. Das Leben in einem grossen, hierarchischen Krankenhaus ist aber klar was ganz anderes. Ich empfinde diese Hierarchien jedoch als eher überaltert und häufig unnötig. Meiner Beobachtung nach können sich Fehler in einer ausgeprägten Hierarchie schneller einschleichen als in einem Betrieb mit offener Kommunikation und Gleichstellung unter allen. Mir ist es wichtiger, dass wir zum Beispiel bei uns in der Klinik als Gemeinschaft auftreten – ohne Hierarchie. Weisst du, wenn man eine chirurgische Ausbildung macht, dann kommt man in einen hierarchischen Kessel, das ist unglaublich. Der Chefarzt ist dann der Boss. Wenn du in der Hierarchie darunter stehst, ist es nicht einfach, Fehler anzusprechen. Und das empfinde ich als nicht fair. Mich stört auch, dass es Menschen gibt, die denken, nur weil sie einen Titel haben, seien sie etwas Besseres. Egal welchen Titel zu trägst, du solltest dir doch immer Mühe geben und dich nicht auf deinen Lorbeeren ausruhen können. Ich bin mit einer sehr offenen, sehr liebenswerten Mutter aufgewachsen. Sie ist in den armen Verhältnissen in Finnland gross geworden und hatte selbst eine Mamma, die gearbeitet hat. Meine Mutter hat mir ein offenes Denken beigebracht und hat immer gesagt: „Männer sind nicht a priori besser oder stärker oder grösser. Wir sind alle gleich!“ Sie war es auch, die mir immer gesagt hat, dass ich mich nicht in Abhängigkeiten begeben solle – weder im Beruf noch finanziell.

Wie wichtig nimmst du dich?
Manchmal, wenn Leute fragen, was ich tue, sage ich einfach, dass ich im Gesundheitswesen arbeite. Ich bin nicht so wichtig. Als Ärztin bin ich selbstbewusst – ich weiss, wo meine Stärken sind. Als Frau bin ich das nicht so sehr. Ich finde meistens das, was mir andere erzählen, spannender – ich höre supergern zu. Um ehrlich zu sein, halte ich jetzt nicht so viel von mir, dass ich das jedem erzählen müsste. Ich hab deshalb auch kein Problem damit, wenn mich andere für eine Krankenschwester oder Kosmetikerin halten (lacht). Viele Menschen schubladisieren gern. Ich bin vermutlich eben nicht die typische Businesslady. Und das Thema ist ja häufig auch, dass du dich als Mutter von drei Kindern schnell mal rechtfertigen musst, wie das denn alles zusammen geht. Es ist eher selten, dass jemand sagt: „Oh wow, das ist ja cool.“

Dabei ist es ja wirklich megacool, was du machst. Bald drei Standorte, 33 Mitarbeitende … Was machst du anders als andere private Kliniken? Was ist das Geheimnis deines Erfolgs?
Wir betreiben eine ganzheitliche Medizin. Wir pflegen kein distanziertes Verhältnis zu unseren Patientinnen und Patienten – und wir haben eine wirklich fröhliche, lockere Art. Wohlmöglich deshalb haben wir sehr unterschiedliche Menschen, die zu uns kommen – von der Managerin über Hoteldirektoren bis zu Landwirten oder Jugendlichen. Im Schnitt behandeln wir 100 Menschen pro Tag. Gross geworden sind wir jedoch über reine Mund-zu-Mund-Werbung. Und ich hab schon öfter gehört, dass man mich weiterempfohlen hat, weil ich so herzig und lustig sei (grinst).

Und kompetent!
Natürlich. Aber weisst du, manchmal sind die Patientinnen und Patienten während einer Operation auch wach, weil sie nur eine Lokalanästhesie haben. Und es kommt schon mal vor, dass wir dann im OP ein paar Blondinenwitze erzählen (lacht schallend). Vor allem wenn wir spüren, dass jemand ganz furchtbar nervös ist. Es sitzt ja immer ein Mensch vor uns – das darf man nie vergessen. Und der häufigste Eingriff, den wir vornehmen, hat mit Hautkrebs zu tun. Da sind die Menschen entsprechend aufgeregt und sehr belastet.

Hast du viele Menschen, die zwecks Selbstoptimierung zu dir kommen?
Auch. Ich werde oft gefragt, wie ich zu dieser sogenannten Selbstoptimierung stehe, und ich sage da immer: Ich bin nicht der Mensch, der urteilen will, wie sich der andere fühlen soll und darf. Das Einzige, was ich machen kann, ist, mit gutem Wissen medizinischer Kenntnis und gutem Gewissen beraten, was möglich ist. Ich urteile und verurteile niemanden. Aber natürlich gibt es Dinge, die ich übertrieben finde – deshalb bieten wir gewisse Dienstleistungen gar nicht an.

Zum Beispiel?
Ich würde nie überdimensionale Brüste machen. Oder Lippen, die wahnsinnig aufgespritzt sind. Das grösste Kompliment für mich ist, wenn Menschen zwar frischer aussehen, aber niemand diesen Eingriff wirklich bemerkt hat. Ich habe Verständnis dafür, dass nicht jeder das genetische Glück hatte, mit makellosen Zähnen auf die Welt zu kommen. Auch das darf man korrigieren. Und wenn jemand nach einer Lidstraffung überglücklich die Praxis verlässt, ist das ein unfassbar schönes Gefühl für mich – es tut mir gut. Aber aufgrund von Instagram und Co. sehen wir Ärztinnen und Ärzte doch auch viele junge Menschen, die sich nicht mehr so akzeptieren können, wie sie sind, und das macht mich nachdenklich. Aber auch das Älterwerden macht vielen Frauen und Männern zunehmend Sorgen, weil wir über die sozialen Medien sehr viel visibler geworden sind.

Es ist ein schmaler Grat zwischen sich pflegen und sich so sehr optimieren, bis man sich darin verliert und nicht mehr wiederfindet. Ich färbe nicht mal mehr meine Haare … weil ich mich nicht über mein Äusseres definieren möchte.
Das ist sehr erstrebenswert. Wenn man allen Frauen und Männern dieses Gefühl von Selbstachtung weitergeben könnte, wäre das wunderschön. Und würde allen guttun. Ich glaube, das wäre toll. Aber nicht jeder ist an dem Punkt – und du hast eine wunderschöne, äussere Hülle, das muss man auch sagen. Nicht jede und jeder schafft es, sich selbst zu akzeptieren.

Ich frage mich manchmal, wer uns Frauen erzählt hat, dass graue Haare und Falten unschön sind.
Da hast du recht. Was ich übrigens absolut attraktiv finde, ist, wenn jemand Gesundheit, Vitalität ausstrahlt – egal in welchem Alter. Als Ärztin möchte ich aber auch, ganz traditionell, heilen. Wirklich helfen kann ich aber nur, wenn sich jemand wohlfühlt in seiner Haut. Das ist, glaube ich, die Quintessenz.

Oh, wie recht du da hast … hmmm – ich denke mir auch manchmal: Die Herausforderung ist bestimmt auch, dass wir – je älter wir werden – diesen spielerischen, fast schon kindlichen Umgang mit uns selbst und unserem Tun verlieren.
Ja, es kann hilfreich sein, sich selbst und das, was man tut, nicht all zu ernst zu nehmen. Ich werde gern alt, muss ich sagen. Ich möchte nicht mehr zurück, möchte nicht jünger sein.

Es ist allerdings nicht einfach, seine Jugend loszulassen, vor allem wenn man eine Führungsperson ist, die exponiert ist.
Die Krux ist, dass wir uns innert Sekundenbruchteilen ein Urteil über einen anderen Menschen bilden – und das hat immer auch enorm viel mit der visuellen Erscheinung zu tun. Ich respektiere es, wenn jemand sich optimieren möchte. Es macht dich nicht zu einem besseren Menschen. Aber auch nicht zu einem schlechteren. Das muss man fairerweise auch mal sagen. Ich selbst blondiere meine Haare – und hatte Botoxbehandlungen für die Glabella, also die Region zwischen den Augenbrauen, und die Stirn. Botoxbehandlungen in den Achseln finde ich zudem praktisch, weil man dann nicht schwitzt. Filler hab ich noch nie gemacht – aber wer weiss, wie ich das in ein paar Jahren sehen werde.

Apropos Jahre … wie lange möchtest du noch arbeiten?
Zehn Jahre. Es gibt unzählige junge, tolle Ärzte – ich fände es schön, rechtzeitig übergeben zu können. Es gibt so viele Dinge, die mich interessieren – ich möchte das tun, solange ich gesund bin, und diese Zeit ab Mitte 50 geniessen. Das ist zumal meine Vision…

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